Das Feuer war schon halb heruntergebrannt und gerade als ein Lied ausgeklungen war, raschelte es im Gebüsch. Gespannt gingen alle Blicke in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Hervor trat ein etwas älterer Mann mit einem Zylinder und einem roten Frack, dicht gefolgt von einem jüngeren Mann. Als die beiden näher gekommen waren, begann der ältere Mann zu sprechen. An seinem Auftreten war zu erkennen, dass er es gewohnt war vor vielen Menschen zu sprechen. Er begann mit den Worten: „Ihr seid meine letzte Hoffnung!“ Aus Reflex verdrehte ich die Augen. Ich konnte nicht sehen, ob die anderen ähnliche Reaktionen zeigten, aber dieser Satz konnte nur Schlimmes bedeuten. Schwierigkeiten, Gefahr oder Arbeit, ganz viel Arbeit.
Und dabei hatte dieses Sommerlager doch so ruhig und gemütlich begonnen. Zu einer christlichen Zeit trafen wir und im Messecafe und brachen ins nahe gelegene Igels auf. Etwa auf halber Strecke besuchten wir die Schlucht Zammer Lochputz, in der beeindruckende Wassermassen zu Tale stürzten. Endlich am Lagerplatz angekommen, bauten wir dann die Zelte auf und am Abend begrüßten wir die „Versprechlinge“ im Bund der Pfadfinder. Am nächsten Tag wurde dann kräftig gewerkelt, Balken wurden zusammengebunden, Kochstellen aufgerichtet und Herde gebaut. Alles war erledigt, nun hätte das Sommerlager so richtig beginnen können und dann kam so ein Clown daher und sagt: Ihr seid meine letzte Hoffnung.
Nun ja es stellte sich heraus, dass der gute Herr kein Clown war, obwohl ich nicht so weit danebengelegen hatte. Er war der Zirkusdirektor des Zirkus „Cirque d’Igels“. Daher also der seltsame Aufzug. Vor ein paar Wochen hat sich in Tirol ein schweres Unwetter ereignet, wobei sein Zirkuszelt einen Totalschaden erlitt. Ein neues musste her. Doch wie es so schön heißt. Ein Unglück kommt selten allein. Dem ohnehin mit Geldsorgen geplagten Zirkus gaben die Anschaffung des Zeltes und der starke Rückgang der Besucher den Rest. Und so kam eins zum anderen und der Direktor konnte seine Artisten nicht mehr bezahlen, worauf diese den Zirkus verließen. Nur gut eine Hand voll treue Artisten sind geblieben. Sie mussten wohl bleiben, da sie in irgendeiner Form mit dem Direktor verwandt waren. Schon nach wenigen Sätzen spürte man, dass dieser Zirkus seine Leidenschaft, seine Herzensangelegenheit ist und wie das als köriger Pfadfinder so ist, bleibt einem da ja keine andere Möglichkeit als dem guten Mann aus der Patsche zu helfen. Wir mussten also einen Zirkusabend gestalten, um wieder Schwung in die Bude zu bringen.
Gleich am nächsten Morgen sollte es mit den Vorbereitungen für den großen Abend losgehen, aber oh Schreck. Dort wo gestern noch der edle schwarze Zylinder auf dem Haupt des Direktors saß, tat sich nun eine sehr traurige nahezu vollständige Glatze auf. Der Zylinder war verschwunden. Diesen kahlen Anblick konnte man keinem Publikum der Welt zumuten. Also machten wir uns alle wohl oder übel auf die Suche nach seiner Kopfbedeckung. Über viele Gespräche und Nachforschungen kamen wir dann der Geschichte des Zylinders auf die Spur. Ich möchte nicht die Ehre einer Person beschmutzen, aber so viel darf gesagt sein. Der Direktor hat, nicht wie ich vermutet hatte, etwas mit dem Verschwinden des Hutes zu tun. Trotz alledem konnte nach einem Vormittag die Glatze wieder hinter seinem Hut versteckt werden. Und ganz nebenbei konnten wir dabei die Arbeit der Artisten beobachten. Die Clowns brachten durch ihre(n) Witz(e) uns immer wieder aufs Neue zum Lachen. Bei den Zauberern sahen wir den einen oder anderen Trick, der uns verblüffte. Ivan der Muskelmann führte uns seine Manneskraft vor, die Akrobatin zeigte uns, dass sie trotz ihres hohen Alters sich noch unglaublich gut in der Materie auskennt und der Jongleur führte uns sein Können mit Bällen und Diabolos vor.
Clownworkshop
Somit war es ein Leichtes sich bei einem Artisten zu melden, der uns bis zur Aufführung seine Disziplin lehren sollte. Sogleich ging es an die Arbeit. Es wurde gebastelt und trainiert wie verrückt. Und dann kam die nächste Hiobsbotschaft. Wir wussten ja, dass der Zirkus kein Geld hat, aber dass es so schlimm war, konnte selbst ich nicht ahnen. Es war kein Geld für Requisiten da und so schicke man uns über 2 Tage in alle Winkel Tirols, um uns geeignete Requisiten durch geschickte Tausche zu ergattern. Als Startgegenstand gab man uns eine Büroklammer. Eine Büroklammer, die müssen ja komplett verrückt sein. Aber wie so oft setzen wir ein Lächeln auf und machten eine gute Mime zum bösen Spiel. Doch interessanterweise kamen recht passable Requisiten daher. Im Tirol müssen wohl einige Hans im Glück herumlaufen.
Und so ging es in schnellen Schritten Richtung Manegeabend. Am Tag des großen Auftritts wurde nochmals kräftig geübt, Choreographien einstudiert und das Zirkuszelt aufgebaut. Die Erwartungen waren groß. Doch zu meiner großen Überraschung und Freude wurden diese Erwartungen sogar übertroffen. Der Abend war ein Mega-Erfolg.
Manegeabend
Und dann war das Lager schon fast wieder zu Ende. Es wurde beim Kochstellen- und Zeltabbau nochmal gut zusammengearbeitet und dann traten wir alle müde aber glücklich die Heimreise an. Aus meiner Sicht war das ein Preeeeemium– Lager. 😉
Gut Pfad
Georg Bohle
GuSp-Leiter